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GESCHICHTE

Im folgenden soll nicht nur auf die heute noch bestehende Mühle eingegangen werden, sondern es soll auch der Mühlenstandort auf dem Paschenberg geschichtlich beleuchtet werden.

Mit großer Wahrscheinlichkeit ist der Paschenberg schon seit frühesten Zeiten, sicherlich aber bereits seit dem Mittelalter Mühlenstandort.

 

Schon in der sog. Stralsunder Bilderhandschrift findet sich eine entsprechende Abbildung.

Die Stralsunder Bilderhandschrift ist eine Sammlung aquarellierter Federzeichnungen sämtlicher vorpommerscher Städte. Diese Zeichnungen wurden zwischen 1611 und 1615 von einem unbekannten Künstler im Auftrag des Herzogs Philipp II. geschaffen.

Auffallend ist, dass die im Umfeld der Stadt gelegenen Mühlen konkret als Bockwindmühlen dargestellt sind. Dies darf nicht verwundern, setzten sich Mühlen holländischer Bauart doch erst im 18. Jahrhundert in Norddeutschland durch.

Ebenfalls auf den Matrikelkarten der schwedischen Landesaufnahme von 1708 ist die Mühle auf dem Paschenberg dargestellt. Auch hier lässt das in den Karten verwendete Symbol noch an eine Bockwindmühle denken.

Ende des 19. Jahrhunderts schreibt der Wolgaster Chronist Heberlein:

 

„ Rings um die Stadt zieht sich ein Kranz von Windmühlen, der zur Belebung des Bildes der Stadt nicht wenig beiträgt. Schon früher standen hier, da das Wasser der Cise nur eine Mühle zu treiben im Stande war, ziemlich zahlreiche Windmühlen. Müller und Bötticher (Wolgaster Chronisten des 18. Jh., Anmerkung des Verfassers) berichten, es habe zu ihrer Zeit gegeben 1) Reintrogs Mühle (deren Stand wird nicht bezeichnet), welche der Stadt jährlich 30 Scheffel Roggen für die Ueberlassung des Bauplatzes gab; ferner zwischen beiden Kirchen außerhalb der Stadt 2) die sogenannte Armenmühle; sodann 3) eine Malzmühle, welche dem Könige (von Schweden) gehörte und das jus prohibendi in Betreff des Malzbrauens hatte, dagegen durfte auf derselben kein Roggen gemahlen werden. Sie zahlte 80 Thaler an Pacht. Auf dem Papagojenberge wurde im Jahre 1725 gleichfalls eine vierte Mühle gebaut, welche dem Müller zu eigen gehörte; derselbe zahlte für den Platz jährlich 15 Thaler an die Stadt; für eine andere fünfte am Wege nach Wusterhusen gelegene wurden jährlich 30 Thaler entrichtet. Auf einer Insel am Papagojenberge stand Blaurocks Sägemühle. Sie muß sehr bedeutend gewesen sein, denn sie konnte mit 45 Sägen schneiden; an Pacht wurden von ihr 30 Thaler an die Stadt gegeben. Im Jahre 1730 wurde sie errichtet, im Jahre 1736 verband der Besitzer die Insel durch eine achzig Schritt lange Brücke mit dem Festlande.

Heller (Chronist Anfang 19. Jh., Anmerkung des Verfassers) erzählt, daß zu seiner Zeit (i. J. 1828) 8 Mühlen bei der Stadt gestanden hätten, nämlich eine Schneidemühle, welche damals Christian Schlie gehörte und welche an Stelle der früheren Brücke durch einen festen Damm mit dem Lande zusammenhing, dann am Sandberge die dem Müller Maas gehörige Windmühle. Die Malzmühle brannte im Jahre 1824 ab, wurde aber sofort wieder erbaut; jetzt existiert sie nicht mehr. Bei der Jürgenkirche stand gleichfalls eine Mühle; sie wurde im Jahre 1827 durch einen Sturm umgerissen und gleichfalls sofort wieder aufgeführt. Westlich vor dieser war eine andere entstanden; dazu fanden sich noch zwei holländische Mühlen, deren Plätze nicht weiter bezeichnet werden.

Ganz neu wurde im Jahre 1817 am Wege nach Greifswald eine fünfflüglige holländische Mühle errichtet, in welcher aus Amerika eingeführtes Farbeholz noch jetzt gemahlen wird. Heute befinden sich bei der Stadt 7 Windmühlen zum Kornmahlen; eine derselben hat massiven Bau und ist auch zum Dampfbetriebe eingerichtet.“

(B. Heberlein: Beiträge zur Geschichte der Burg und Stadt Wolgast. Druck und Verlag von Hans Elsner. Wolgast, 1892.)

 

Der vorangehende Text ist sehr aufschlussreich, liefert er doch einen wichtigen Mosaikstein zur Geschichte des Mühlenstandorts. Es sei hier kurz zusammengefasst:

 

-18. Jhd.: Malzmühle im Eigentum des Königs von Schweden; es wurde kein Roggen vermahlen. Privilegien für das Malzbrauen

-1824: Die Malzmühle brennt ab, sofortiger Wiederaufbau

An dieser Stelle ist es nun zweckmäßig, sich der Familiengeschichte der Familie Pansow zuzuwenden. In den Wolgaster Kirchenbüchern ist überliefert, dass ein Christian Jacob Pansow, geboren am 22.07.1786 in Wittstock an der Dosse, Malzmüller in Wolgast war. Es steht also zu vermuten, dass er als junger Mann – also noch vor dem Brand der Malzmühle - nach Wolgast gekommen ist. Dafür spricht auch, dass er wohl noch als Junggeselle nach Wolgast kam und erst hier die aus Lassan stammende Regina Elisabeth Riesebeck heiratete.

Vermutlich wird er zunächst Pächter in der Malzmühle gewesen sein. Bei der nach dem Brand errichteten neuen Mühle tritt er aber schon als Bauherr und Eigentümer auf.

 

Für das 19. Jahrhundert ist folgende Erbfolge überliefert:

 

1.) Christian Jacob Pansow

* 22.07.1786 in Wittstock an der Dosse

+ 22.04. 1859 in Wolgast

 

Ehefrau Regina Elisabeth Pansow, geborene Riesebeck

* 27.06.1799 in Lassan

+ 27.05.1861 in Wolgast

 

2.) Andreas Friedrich Pansow, Sohn von 1.)

* 30.10.1827 in Wolgast

+ 02.05. 1894 in Wolgast

 

1. Ehefrau Caroline Dorothea Johanna Pansow, geborene Parlow

*1837 in Lassan

+07.12.1866 in Wolgast

 

2. Ehefrau Caroline Auguste Frederike Pansow, geborene Parlow

*16.06.1834 in Lassan

+22.01.1895 in Wolgast

 

3.) August Pansow, Sohn von 2.)

*08.04.1860 in Wolgast

+01.08.1926 in Wolgast

 

Ehefrau Emma Pansow, geborene Mähl

*10.03.1867 in Zarnitz

+22.09.1929 in Wolgast

 

Aus der Ehe unter 3.) gingen fünf Kinder hervor: Frieda (1894-1956), Arthur (1895-1915), Wilhelm (1897-1933), Erich (1898-1937) und Else (1900-1955).

 

Aber bald zog sich das Unglück durch die weitere Familiengeschichte. Arthur Pansow fiel als Soldat im 1. Weltkrieg.

Wilhelm Pansow, der ebenfalls als Soldat an der Front stand, erkrankte nach seiner Rückkehr schwer an Tuberkulose.

Frieda Pansow, die Älteste der Kinder, war zeitlebens kränklich.

Erich, der die Mühle nach des Vaters Tod zunächst übernommen hatte, verunglückte mit dem Motorrad und war fortan nicht mehr arbeitsfähig.

So kam es, dass Else Pansow, die Jüngste, die Mühle übernahm und den Betrieb dann bis zu ihrem Tod im Jahre 1955 leitete.

Alle fünf Kinder Pansow blieben unverheiratet und auch ohne Nachkommen.

Mit Elses Tod erlosch also dieser Wolgaster Zweig der Familie Pansow.

Trotzdem ist auch heute noch alten Wolgastern die Mühle auf dem Paschenberg als die sog. Pansow`sche Mühle in Erinnerung geblieben.

Zurück zur Mühlengeschichte:

Die von Christian Jacob Pansow 1824 neu errichtete Getreidemühle wurde im Jahre 1880 erneut ein Opfer der Flammen. Es ist überliefert, dass sie aber kurz darauf neu errichtet wurde. Es entstand der Galerieholländer, der auch heute noch den Kern des Gebäudeensembles bildet.

Schon wenige Jahre oder Jahrzehnte nach der Errichtung dieser noch klassischen Windmühle hielt die neuzeitliche Technik Einzug in den Betrieb. In einem Erweiterungsbau wurde eine Dampfmaschine installiert. Diese garantierte nun auch bei Windstille oder schwachem Wind den kontinuierlichen Betrieb der Mühle.

Aber bereits um das Jahr 1906 wurde die Mühle an das elektrische Netz angeschlossen und ein Elektromotor eingebaut.

In den ersten Jahrzehnten des zwanzigsten Jahrhunderts aufgenommene Fotografien zeigen das gleichzeitige Nebeneinander von Jalousie-Ruten (Mühlenflügel), Schornstein (Dampfmaschine) und Trafohaus (Elektromotor). Offenbar hielt man trotz moderner Antriebsmaschinen, vielleicht aus Kostengründen, noch lange am Windantrieb fest. Auf den Fotos ist aber auch erkennbar, dass außer dem Maschinenhaus mit der Dampfmaschine noch weitere Anbauten entstanden sind.

1.) ein kleiner Silo zur Kornlagerung:

Zunehmend waren es nicht mehr Einzelbauern, die das Korn auf Fuhrwerken brachten, sondern Getreidehändler. Deshalb war ein größeres Lagervolumen notwendig.

2.) ein Mittelgebäude zwischen Silo und Mühle:

Dieses Gebäude war wohl notwendig geworden, weil mehr Maschinen, insbesondere zur Getreidereinigung notwendig geworden waren. Zusätzlich wird dieser Bau wohl auch zur Mehllagerung genutzt worden sein.

Der heutige große Silo wurde 1939 durch die Wolgaster Baufirma Sußmann erbaut.

Der sog. Reichsnährstand (RNST) hatte die Anordnung erlassen, dass alle Handelsmühlen im Dritten Reich derartige Silos zu errichten hatten.

 

In den Dreißigern kommt es in Deutschland zu einer bemerkenswerten aber kurzen Renaissance des Windantriebes bei Mühlen. Dies war dem Major a.D. Kurt Bilau zu verdanken.

Dem Visionär Bilau, der sich nach dem 1. Weltkrieg als Ingenieur mit dem Wind als Kraftquelle beschäftigt, fiel ein Buch des dänischen Dozenten Poul la Cour mit dem Titel „Die Windkraft und ihre Anwendung zum Antrieb von Elektrizitätswerken“ in die Hände.

Davon stark beeindruckt, verschreibt er sich fortan der Weiterentwicklung des Windmühlenantriebes.

Bis zu dieser Zeit besaßen die Mühlenruten verstellbare Jalousien. Diese ermöglichten es dem Müller, den „Flügeln“ mehr oder weniger Fläche zu geben und damit auf unterschiedliche Windstärken zu reagieren. Dieses Antriebssystem besaß allerdings gewisse aerodynamische Nachteile. Bilau baute auf den umfangreichen Forschungen von La Cour auf, arbeitete aber im Unterschied zu diesem nicht mehr mit Volljalousien, sondern orientierte sich am Flugzeugbau.

Und so wurde aus dem Propeller der Repeller - mit umgekehrtem Wirkungsprinzip. Im Unterschied zum Propeller nimmt der Repeller Energie aus der Luftströmung auf und gibt sie mittels Rotation an Maschinen oder Generatoren weiter.

 

Die im Windkanal getestete aerodynamische Querschnittsform des Propellerflügels erwies sich auch für Windkraftanlagen als ausgesprochen günstig. Natürlich konnte der Propellerflügel nicht unmittelbar übernommen werden, mußte doch bei Windmühlen auch auf die Notwendigkeit des Regulierens (wie vormals mittels Jalousien) eingegangen werden. Zu diesem Zweck konstruierte Bilau die sog. Ventibremse - besser unter dem Namen Drehheck bekannt geworden.

Ventikanten mit Drehheck - so wurden die von Bilau konstruierten neuen Windmühlenflügel genannt, konnten sich in den dreißiger Jahren erfolgreich durchsetzen und wurden noch auf knapp 200 Mühlen in Deutschland montiert.

 

In diesen Jahren erhielt auch die Pansowsche Mühle solche Ventikanten mit Drehhecks. Folgender Brief von Bilau an den Mühlenbesitzer Erich Pansow aus dem Jahre 1935 ist noch erhalten.

 

Die neuen Ventikanten waren nur kurze Zeit an der Mühle. Es hat sich die Mär erhalten, das gusseiserne Flügelkreuz wäre zu schwer für die Mühle gewesen und musste also wieder abmontiert werden. Hier scheint es, dass Sachverhalte unverstanden und sinnentstellt weitergegeben wurden.

Richtig ist, dass der erhöhte Winddruck auf die großen Blechflächen eine enorme Belastung des Materials der Bruststücke/Spitzen und der Flügelwelle darstellte. Wenn man weiß, dass Ventikanten mit Drehhecks etwa die 2 – 3 fache Leistung gegenüber Jalousiespitzen brachten, kann man sich leicht vorstellen, um wie viel größer die Belastung für die mechanischen Teile wurde.

Hinzu kam die Gefahr bei einer nicht richtig funktionierenden Windrose. Bekamen nämlich die Ventikanten sog. Hinterwind, konnten die Drehhecks zuschlagen. Die Mühle war dann bei Rückwärtslauf nicht mehr zu kontrollieren.

Was nun konkret zur Demontage der Ventikanten geführt hat, ist nicht mehr bekannt. Wahrscheinlich war es aber die enorme Mehrbeanspruchung der Rutenwelle.

 

 

 

 

 

 

Nach dem Zweiten Weltkrieg beginnt nun eine neue Etappe der Mühlengeschichte.

Else Pansow leitet immer noch den Mühlenbetrieb.

Im Jahre 1952 kommt der junge Müller Hans-Joachim Lemke nach Wolgast und wird in der Pansowschen Mühle eingestellt. In dieser Zeit absolviert er auch die Meisterprüfung in der Müllerschule in Dippoldiswalde.

Else wird zunehmend kränklicher. Da die Familie keine Nachkommen hat, stellt sich ihr die Frage, wer einmal den Mühlenbetrieb übernehmen wird.

1954 heiratet der Müller Lemke die im Pansowschen Haus angestellte Haushälterin Anna Labrenz. Da sich im Laufe der Jahre zwischen Else Pansow und diesen beiden Angestellten ein gutes Vertrauensverhältnis entwickelt hat, beschließt Else, den Beiden die Mühle zu vererben.

So kommt es, daß nach ihrem Tod im Jahr 1955 Hans-Joachim Lemke und Ehefrau die Mühle übernehmen. Herr Lemke hatte schon in den Jahren davor eine verantwortliche Stellung im Mühlenbetrieb gehabt.

Die Mühle wird in den Folgejahren zunächst noch weiterhin als privater Familienbetrieb geführt. Da sich aber in der 1949 gegründeten DDR zunehmend die Produktion in volkseigenen Betrieben durchzusetzen beginnt, wird es für kleine private Unternehmen immer schwieriger. In dieser Zeit werden viele kleine Familien- und Handwerksbetriebe aufgegeben.

Der neue Besitzer sieht sich daher schon bald gezwungen, den Betrieb an den Volkseigenen Betrieb Inselmühle Usedom zu verpachten. Der Pachtvertrag wird 1962 wirksam und der Besitzer erhält eine Anstellung als Produktionsleiter.

Die beiden Mühlen arbeiten fortan im Verbund – in Usedom wird Weizen vermahlen und in Wolgast Roggenmehl hergestellt.

Als in den 70er Jahren die Vereinigten Volkseigenen Betriebe (VVB) in konzernartige Kombinate umgewandelt werden, werden beide Mühlen dem Kombinatsbetrieb Richtenberg angegliedert. Diesem Kombinat gehört die Wolgaster Mühle bis zur politischen Wende in der DDR an.

 

Nach dem Anschluß des Territoriums der DDR an die Bundesrepublik Deutschland übernimmt ein Investor aus den alten Bundesländern den ehemaligen Kombinatsbetrieb Richtenberg. Die Folge ist ein schrittweises Schließen der einzelnen Betriebe.

Für die Mühle am Paschenberg läuft 1992 der dreißigjährige Pachtvertrag aus - mit dem Auslaufen des Pachtvertrages wird auch die Produktion eingestellt.

Damit geht auf dem Paschenberg eine Jahrhunderte währende Tradition zu Ende.

© 2015 Mühle am Paschenberg. Erstellt mit Wix.com     Wieland Lemke

Chausseestraße 40 17438 Wolgast

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